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Beschreibung
Die Topographie jüdischer Siedlungen hat schon früh das Interesse der Forschung auf sich gezogen. Die Form und die Lage der jüdischen Wohnbezirke, die Abgrenzung zur christlichen Nachbarschaft, die Gestalt und die Entwicklung kommunikativer Räume eröffnen Zugänge zu grundlegenden Fragen jüdischer Existenz in Europa. Die Untersuchung eines 'jüdischen Raumes' erfordert aber die Überwindung von in der Regel getrennt untersuchten Bereichen in den jüdischen Studien. 'Siedlungsformen reflektieren sowohl den inneren Diskurs über Fragen der Spiritualität, des Denkens und Glaubens wie Themen der äußeren Narrative, also der Beziehungen von Juden und jüdischen Gemeinden zur nicht-jüdischen Welt.' Eine Vertiefung und Erweiterung der Frage nach den 'Räumen' jüdischen Lebens in der Frühen Neuzeit ist wünschenswert, sie wird durch den 'spatial turn' in den Kulturwissenschaften methodisch erleichtert.Als charakteristischste jüdische Siedlungsform gilt bis heute das Ghetto. Von Benjamin Ravid klar definiert als abgeschlossene Zwangssiedlung ausschließlich für Juden, ist es eindeutig ein Phänomen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Die Ghettos entstanden, als insbesondere im Reich und in Italien in Städten wie Frankfurt, Venedig oder Rom die Juden in eigens angelegten, vom Rest der Stadt abgeteilten Vierteln angesiedelt wurden (vgl. die Beiträge von Ravid und Ruderman).Im europäischen Vergleich ist jedoch schnell festzustellen, dass das Ghetto selbst in der Frühen Neuzeit eher die Ausnahme als die Regel war. Dennoch lässt sich seit dem 19. Jahrhundert eine erstaunliche Karriere dieses Begriffes feststellen. Wie Christhard Hoffmann zeigt, wurde er in der Literatur und in der wissenschaftlichen Forschung zum Inbegriff der jüdischen Existenz im Ancien Régime. In der Kritik der Aufklärung wurde das Ghetto als negatives Symbol der Ausgrenzung und Unterdrückung, nach der Emanzipation aber auch als nostalgisch verklärter Ort eines verlorenen 'altjüdischen Familienlebens' in...
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