Beschreibung
"Die Toten, wie sie da sind in ihrem Reich, mit nichts anderem beschäftigt als damit, tot zu sein, liegend auf kalten Böden oder sitzend auf steinernen Bänken. Nur manchmal hebt ein Liegender seinen Kopf, und ein Sitzender erhebt sich und schaut in die Ferne, als suche er etwas. Er horcht, als klinge in der Ferne ein Ton, für ihn bestimmt. In diesem Moment denkt jemand an ihn, in der Welt, die er schon lange verlassen hat. Das sind die einzigen Augenblicke, in denen ein Lächeln die toten Gesichter bewegt." Nicht nur in seinen Kleinen Auferstehungen beschäftigt sich Franz Hohler mit Tod und Vergänglichkeit. Auch andere Kurzgeschichten in seinem Band Zur Mündung kreisen um diese Themen -- mal geheimnisvoll, mal besinnlich, mal mit einem kleinen Lächeln.
Der Schweizer Schriftsteller erzählt von einem Gespräch mit dem sterbenden Schwiegervater, zelebriert den Abschied von seiner verstorbenen amerikanischen Freundin und erinnert immer wieder an Krieg und Holocaust: "Ich versuche mir zu vergegenwärtigen, dass 1943, das Jahr meiner Geburt, das Jahr des Todes für das jüdische Leben in Lublin war", besinnt er sich bei seiner Reise durch Polen. Kleine Episoden schildern mehr oder weniger denkwürdige Begegnungen: Ein ungeladener Gast macht eine Geburtstagsfeier unvergesslich, ein nackter Mann wird wichtiger als der Kölner Dom, ein Inder möchte nach Selzach, und in Berlin versucht der Erzähler, das Leben einer Taube zu retten. Franz Hohler sinniert über die Grabstätten im Wiener Stephansdom, die Teilnehmer einer Tagung über "Versteckte Süchte" und die landschaftlichen Veränderungen im Maggiatal.
Für seine Gedichte, Theaterstücke und Erzählungen wurde der Autor bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Wer ihn vor allem als Kabarettist schätzt, lernt im Band Zur Mündung seine ernste und nachdenkliche Seite kennen. Ohne besondere Höhen und Tiefen plätschern die Geschichten vor sich hin, werden Szenen geschildert und Erinnerungen vermittelt. Zur Mündung ist ein Buch für besinnliche, ruhige Stunden, in denen man auf Spannung und Witz gerne verzichtet. --Gabriele Hilchenbach
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